Winterweiß
Sie lag in ihrem Schlafsack. Ihr war kalt. Zitternd hatte sie die Beine angezogen. Ihr Atem war eine weiße Wolke in der Nacht. Sie sah die Schneeflocken zu Boden fallen. Sie dachte den Schnee. Träumte den Schnee. Diesmal war ihr der Winter nah gekommen. Näher als sonst. Sehr nah. Die Kälte macht einsam, dachte sie. Die Einsamkeit ließ sie die Kälte noch schlechter ertragen. Immer diese Fußgänger. Entweder sie starrten sie an oder sie schauten weg. Manchmal gaben sie ihr ein paar Münzen.
Wenn es warm war, versammelten sie sich. Sie trafen sich hinter dem Bahnhof. Im Sommer war sie gern mit den anderen am Flussufer. Dann kreiste die Flasche. Sie waren alle eine Familie, irgendwie. Jetzt im Januar waren diese Orte wie leergefegt. Die Notunterkünfte waren voll. Sie mochte die Notunterkünfte nicht. Dort roch es nach Bier, Urin und Erbseneintopf.
Sie brauchte den Himmel über sich. Den Anblick der Sterne. Was für ein Glanz! Sie lächelte schläfrig. Aber sie durfte nicht einschlafen. Es war zu kalt. Da war schlafen gefährlich. Komisch, dachte sie. Die Kälte sticht nicht mehr. Verwundert sah sie zur Seite. Neben ihr lag Schnee. Eine Flocke landete sanft auf ihren Wimpern. Lächelnd schloss sie die Augen.
Sie dachte den Schnee. Träumte den Schnee.