Anke Groß-Kunkel
ist Wissenschaftlerin an der Universität in Köln.
Sie arbeitet an der Uni.
Und für den Verein KuBus®.
Der Verein hat die LEA Leseklubs® in Deutschland gegründet.
Hier sind unsere Fragen an die Doktorin Anke Groß-Kunkel:
1. Was ist der Verein KuBus®?
Was ist ein LEA Leseklub®?
Wie sind
Sie auf die Idee für Leseklubs gekommen?
Den Verein KuBus® gibt es seit 2008.
Das ist jetzt über zehn Jahre her.
Der Verein möchte Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsame Erlebnisse
ermöglichen.
Es geht um kulturelle Aktivitäten, wie zum Beispiel Lesen im Café.
KuBus® ist eine Abkürzung.
Das heißt, jeder Buchstabe steht für ein Wort.
Das „Ku“ steht für Kultur.
Das „Bu“ steht für Bildung.
Das „s“ steht für soziale Teilhabe.
Alles zusammen bedeutet: KuBus®.
Jeder Mensch möchte lernen und mitmachen.
Das ist wichtig und ein Grund-Recht in Deutschland.
Dafür macht KuBus® Projekte, bei denen alle mitmachen können.
Zum Beispiel die mehr¬Sinn® Geschichten.
Das sind Geschichte zum Fühlen, Hören, Schmecken, Riechen und Sehen.
So kann jeder Geschichten erfahren.
Man muss dafür nicht lesen können.
Es gibt auch das Projekt SUSHI.
Das heißt inklusive Sommer-Schule.
Hier gehen Menschen mit und ohne Behinderung zusammen an die Uni in Köln.
Sie lernen für eine Woche gemeinsam.
Das Projekt
Teil¬sein & Teil¬haben® möchte herausfinden, was Menschen mit Komplexer
Behinderung im Leben brauchen.
Menschen mit
Komplexer Behinderung sollen zum Beispiel bei ihrer Pflege selbst mit entscheiden dürfen.
Dafür sucht das Projekt zusammen mit der Uni Köln nach Ideen, wie das möglich
werden kann.
Die LEA Leseklubs® sind ein Lesekreis für Erwachsene
mit und ohne Behinderung.
Die Mitglieder treffen sich einmal in der Woche und
lesen zusammen.
Sie treffen sich in einem gemütlichen Café oder in
einer Bücherei.
In jedem Leseklub können 4 bis 6 Leute mitmachen.
Zwei Mitleserinnen oder Mitleser helfen beim Lesen.
Man muss im LEA Leseklub® nicht lesen können.
Wer nicht lesen kann, bekommt Unterstützung.
Das wichtigste Ziel ist, zusammen Spaß zu haben.
Jeder
Leseklub entscheidet selbst, welches Buch gelesen wird.
Alle Mitglieder haben ein eigenes Buch in der Hand oder vor sich auf dem Tisch
liegen.
Die Mitglieder mit Behinderung lesen nach der Reihe einen Absatz oder eine
Seite aus dem Buch laut vor.
Manchmal lesen auch die Mitleserinnen und Mitleser ein Stück aus dem Buch laut
vor.
Nach dem lauten Lesen sprechen alle zusammen über den Text.
Manche Leseklubs lesen gerne Bücher in Einfacher Sprache.
Manche Leseklubs lesen nur Bücher in schwerer Sprache.
Jeder Leseklub kann das selber entscheiden.
2. Wenn Sie bestimmen dürfen: Welches Buch soll es in Einfacher Sprache geben?
Das ist eine sehr gute, aber auch eine sehr schwierige Frage.
Es gibt sehr viele schöne Bücher.
Deswegen möchte ich durch die LEA Leseklubs® das Lesen von vielen
verschiedenen Büchern möglich machen.
Weil man im LEA Leseklub® zusammen liest,
kann man auch Bücher in schwerer Sprache lesen.
Ich wünsche mir mehr Bücher zum Thema Kultur in Einfacher Sprache.
Worum geht es da?
Bücher über Künstlerinnen und Künstler.
Bücher über besondere Häuser.
Bücher über das Theater.
Und warum soll es jeder lesen?
Diese Bücher machen vielen Leseklubs bestimmt auch viel Spaß.
Lesen und Bücher sind ein Teil unserer Kultur.
Die Leseklub-Mitglieder sind sehr an diesem Teil der Kultur interessiert.
Sie wollen Teil dieser Kultur sein.
Lesen ist für sie eine sinnvolle und wichtige Tätigkeit.
Mir geht es in meinem Leben genauso!
Es gibt aber noch andere Bereiche der Kultur.
Daran kann man auch durch das Lesen teilhaben.
Zum Beispiel, wenn man ein Buch über einen bekannten Maler liest.
Man kann natürlich auch selber malen.
Das gemeinsame Lesen von Kunst-Büchern im Leseklub stelle ich mir sehr spannend
vor.
3. Was finden Sie gut an Einfacher Sprache?
Sehr gut finde ich, dass Einfache Sprache für jeden Menschen
geeignet ist.
So kann jede und jeder lesen, der Geschichten liebt.
4. Was geht nicht so gut mit Einfacher Sprache?
Schwere Sprache kann man manchmal nicht so gut in Einfache Sprache
übersetzen.
Es gibt zum Beispiel Wörter, die sehr schön klingen.
Manchmal sind diese Wörter aber in schwerer Sprache geschrieben.
Es gibt nicht immer eine Übersetzung in Einfacher Sprache für die schweren
Wörter.
Diese schweren Wörter geben einem ein besonderes Gefühl.
In den Ohren klingen sie schön.
Im Bauch lassen sie es kribbeln.
Im Kopf lassen sie die Gedanken springen.
5. Können Sie selber Einfache Sprache schreiben?
Ja. Aber es ist auch eine Kunst.
KuBus® hat einen Wettbewerb
für Geschichten in Einfacher Sprache entwickelt.
Er heißt „Die Kunst der Einfachheit“.
Wenn ich Texte in Einfacher Sprache schreibe, lasse ich sie
nochmals von einer anderen Person überprüfen. Am liebsten von einem LEA Leseklub®-Mitglied!
5. Und sprechen? Gibt es da einen Unterschied?
Ich kann in Einfacher Sprache sprechen.
Das Sprechen in Einfacher Sprache ist für mich aber schwieriger
als das Schreiben.
Beim Schreiben kann ich lange über die richtigen Wörter
nachdenken.
Ich kann mir den Text nochmal durchlesen.
Ich kann Wörter ändern.
Ich kann Bilder zum Text hinzufügen.
Das macht den Text einfacher.
Wenn ich in Einfacher Sprache spreche, muss ich genau wissen, was
ich sagen möchte.
Und wie ich das einfach sagen kann.
6. Viele Menschen finden Lesen schwer.
Warum sollen sie trotzdem Geschichten und Bücher lesen?
Was ist so wichtig am Lesen?
Lesen ist wirklich sehr schwer.
Ganz viele Bereiche unserer Wahrnehmung müssen dabei arbeiten.
Man muss die einzelnen Buchstaben in ihrer Form erkennen.
Man muss die einzelnen Laute unserer Sprache hören und
unterscheiden können.
Man muss die einzelnen Laute der Buchstaben zusammenfügen, damit
sie ein Wort ergeben.
Dann muss man sich merken, was man gerade so mühevoll gelesen hat.
Und dann muss man verstehen, was man gerade gelesen hat.
Also den Inhalt der Bücher und Geschichten.
Das sind sehr viele Sachen auf einmal.
In der Schule oder in der Ausbildung muss man manchmal Dinge
lernen, die in Büchern stehen.
Das muss aber nicht unbedingt über das Lesen geschehen.
Man kann auch anders lernen.
Gerade im Bereich der Freizeit soll das Lesen vor allem Spaß
machen.
Niemand soll Geschichten und Bücher lesen müssen.
Viele Menschen haben Spaß am Lesen.
Auch wenn das Lesen schwer ist.
In Büchern kann man fremde Welten entdecken.
Man kann etwas über das Leben von anderen Menschen erfahren.
Man kann viel lernen.
Und man kann Freude an den schönen Wörtern haben.
Deshalb finde ich es wichtig, dass viele Menschen an Büchern und
Geschichten teilhaben können.
Das muss nicht nur über das eigene Lesen sein.
Das geht zum Beispiel auch über das Zuhören.
Ich habe sehr viel Spaß an Büchern und Geschichten.
Deswegen wünsche ich mir: alle Menschen, die Spaß an Geschichten
haben, sollen Geschichten erfahren können!
7. Wissen Sie noch, als Sie selber nicht gut lesen konnten?
Als ich noch nicht lesen konnte, hat mir mein großer Bruder
heimlich unter der Bettdecke vorgelesen.
Eigentlich sollten wir schon schlafen.
Meine Eltern durften nicht merken, dass wir noch gelesen haben.
Daher haben wir uns unter der Bettdecke versteckt.
Mein Bruder hat mir vorgelesen.
Ich habe die Taschenlampe gehalten.
Die Zeichen und Buchstaben machten für mich noch keinen Sinn.
Ich fand es bewunderns-wert, wie mein Bruder daraus Wörter und
Geschichten formen konnte.
7. Was war schwer für Sie?
Daran kann ich mich leider nicht erinnern.
Und was hat Ihnen geholfen?
Der Spaß an den Geschichten.
Wenn mir meine Eltern vorgelesen haben, wollte ich nicht bis zum
nächsten Tag warten.
Ich wollte einfach wissen, wie es in den Geschichten weitergeht.
Dann habe ich selber mit dem Lesen angefangen.
Selber lesen können war wie ein Geschenk.
Mir wurden ganz viele Geschichten geschenkt.
8. Können Sie eine andere Sprache sprechen und lesen?
Ja. Ich kann sehr gut Englisch sprechen und lesen.
Leider kann ich keine weitere Sprache so gut sprechen und lesen.
Wie ist es da, wenn Sie schwere Texte lesen sollen?
Jetzt fällt mir das leicht.
In der Schule war es aber sehr schwer für mich.
Ich habe dann einige Zeit in England gelebt und durch das Sprechen
mit meinen Freunden sehr viel gelernt.
Wie ist es, wenn Sie sich mit jemandem in der Fremd-Sprache
unterhalten müssen?
Das macht mir Spaß.
Wenn ich länger in England oder den USA bin, dann träume ich sogar
auf Englisch.
9. Ist Einfache Sprache auch wie eine fremde Sprache lernen?
Oder leichter? Oder sogar schwerer? Erzählen Sie mal.
Einfache Sprache ist etwas leichter zu lernen als eine ganz fremde
Sprache.
Man kennt schon die deutsche Sprache und kann daraus viel nutzen.
Einfache Sprache ist aber nicht nur einfach.
Sie ist auch eine Kunst.
Auf Englisch in Einfacher Sprache zu sprechen, finde ich manchmal
schwer. Dann fehlen mir die Wörter.
Man kennt sich in der fremden Sprache nicht so gut aus.
10. Bitte erzählen Sie aus Ihrer Arbeit mit Einfacher und Leichter
Sprache.
Warum ist Einfache und Leichte Sprache wichtig für Sie geworden?
Was wollen Sie mit Ihrer Arbeit verändern?
Meine Arbeit zur Einfachen und Leichten Sprache hat sehr viel mit
den LEA Leseklubs® zu tun.
Mit meiner Arbeit möchte ich zeigen, dass alle Menschen ein
Interesse an Büchern und Geschichten haben.
Und ich möchte für viele Menschen möglich machen, dass sie ihren Spaß
am Lesen ausleben können.
Dass sie sich mit Büchern und Geschichten beschäftigen können.
Das versuche ich auch, meinen Studierenden an der Uni beizubringen.
Dann können Sie das in ihrer Arbeit hoffentlich weitergeben.
Ich arbeite außerdem an Ideen für einen inklusiven Literatur-Unterricht.
Also daran, wie alle Kinder in der Schule gemeinsam ein Buch lesen
und erleben können. Wenn man schon in der Schule den Spaß am Lesen und Büchern
entdeckt, dann bleibt das meistens für immer so.
11. Hier steht keine Frage. Hier sollen Sie einfach erzählen:
Was
Sie sonst noch wichtig finden.
Es darf auch etwas Lustiges sein!
Oder etwas,
das Sie sich wünschen.
Es soll natürlich mit Sprache zu tun haben!
Vor 15 Jahren habe ich zum ersten Mal einen Leseklub in Amerika
beim gemeinsamen Lesen beobachtet.
Die Idee, in der Gruppe und im Café zu lesen, fand ich direkt gut!
Ich freue mich sehr, dass es heute auch in Deutschland viele LEA
Leseklubs® gibt. Wenn man Leseklubs in den USA und in Deutschland zuschaut,
sind sie sehr ähnlich.
Der Ablauf des gemeinsamen Lesens ist fast gleich.
Egal, in welchem Land gelesen wird.
Das finde ich toll.
Im letzten Jahr ist eine Gruppe der amerikanischen Leseklubs nach
Deutschland gekommen.
Der Gründer der amerikanischen Leseklubs war auch dabei: Er heißt
Tom Fish.
Wir haben uns LEA Leseklubs® in Köln und Berlin angeschaut.
Die Leseklub-Mitglieder aus den USA und Deutschland haben nicht
dieselbe Sprache gesprochen.
Sie haben sich aber oft auch ohne Sprache verstanden.
Sie machen ja alle die gleichen Erfahrungen in ihren Leseklubs.
Nur eben in einer anderen Sprache!