Der Baum vor meinem Haus
Vor meinem
Haus steht ein Ahorn-Baum.
Er ist groß und stattlich.
Ich kenne ihn schon sehr lange.
Manchmal höre ich ihn flüstern:
„Ich bin da. Ich bin da.“
Oft sitze ich mit einer Tasse Tee in der Hand am Fenster und schaue meinen Baum an.
Das tut mir gut, und ich werde ganz ruhig.
In meinem
Baum lebt ein Eich·hörnchen.
Mit seinem buschigen Schwanz klettert es den Stamm rauf und runter.
Manchmal läuft es über die Straße.
Dann habe ich Angst, dass es von einem Auto über·fahren wird.
Ich habe schon tote Eich·hörnchen auf der Straße gesehen.
Im April schieben
sich kleine Knospen aus den Ästen meines Baums.
Die Knospen springen auf und werden zu gelben Blüten.
Die Blüten leuchten in der Sonne.
Bienen schwirren von Blüte zu Blüte.
Das Eich·hörnchen trifft andere Eich·hörnchen.
Ich freue mich über das frische Grün der jungen Blätter.
„Endlich Frühling!“, jubelt mein Baum.
Im Sommer
ist es sehr trocken.
Es hat schon lange nicht mehr geregnet.
Im Radio sagen sie:
„Liebe Zuhörer, bitte gebt den Straßen·bäumen
Wasser.“
In der Küche fülle ich einen Eimer mit Wasser und laufe mit ihm die Treppe hinunter.
Draußen schütte ich das Wasser am Stamm meines Baums aus.
„Danke!“, sagt mein Baum matt.
Solange es heiß ist,
gieße ich ihn jeden Tag.
Im Oktober
färben sich die Blätter leuchtend rot.
“Bin ich nicht prächtig?“, fragt mein Baum eitel.
In der Sonne glüht er wie Feuer.
Ich sammle die schönsten Blätter
und trockne sie zwischen Lagen von Zeitungs·papier.
Die beschwere ich mit
dicken Büchern.
Mit den getrockneten Blättern bastle ich Karten für meine Freunde.
Anfang
November kommt ein heftiger Sturm.
Er rüttelt an den Bäumen.
Laub wirbelt durch die Luft.
Abgebrochene Äste fallen auf die Straße.
Am nächsten Tag sammeln Müll·männer die Äste ein.
Mit Laub·pustern fegen sie die Blätter zusammen und machen einen Höllen-Lärm.
Am Straßen·rand liegen große Laub·haufen.
Das Eich·hörnchen wühlt in den Laubhaufen.
Traurig schaue ich meinen Baum an.
„Vorbei!“, seufzt er.
Nur ein einziges Blatt kann ich noch in den Ästen erkennen.
Ein kleiner Wind·hauch genügt,
und das Blatt segelt davon.
Im Dezember fällt der erste Schnee.
Sachte tanzen die Flocken durch die nackten Äste.
Der Schnee bleibt nicht liegen.
Draußen ist es nass und grau.
Das Eich·hörnchen sehe ich nur noch selten.
Mein Baum ist still.
Ich glaube, er schläft.
Im Januar wird es klirrend kalt.
In der Morgen·sonne glitzert der Rau·reif
in den Ästen.
Mein Baum sieht wie verzaubert aus.
Nachmittags schneit es.
Auf den Ästen liegt Schnee. Überall liegt Schnee.
Der Schnee dämpft alle Geräusche.
Es ist viel ruhiger als sonst.
Ich stelle dem Eich·hörnchen eine Schale mit Nüssen hin.
Anfang März wird es langsam wärmer.
Der Schnee tropft von den Ästen.
Auf dem Bürger·steig bilden sich kleine Pfützen.
Die Schnee·glöckchen blühen.
Die Vögel zwitschern.
Das Eich·hörnchen blinzelt mir zu.
Ich lege die Hand an den Stamm
und schaue hoch in die Krone.
„Ich bin dein Freund“, flüstert mein Baum.