Sie
hat Glück.
Sie
ist gesund. Ihre Familie ist gesund.
Menschen
lieben sie.
Es
gibt Menschen, die sie liebt.
Sie
hat genug Geld.
Sie
kann Essen kaufen.
Und
Kleidung. Und die Miete zahlen.
Im
Winter hat sie es warm.
Im
Sommer kann sie im Schatten sitzen.
Trotzdem
hat sie Angst im eigenen Land.
Denn
sie ist eine Frau.
In
ihrem Land gibt es Menschen,
die
gegen Gleichberechtigung sind.
Sie
finden, Frauen sollen kochen und putzen.
Sie
sollen auf die Kinder aufpassen.
Sie
sollen sich um die Männer kümmern.
Frauen
sollen wieder den Mund halten.
Es
gibt sogar Menschen, die drohen Frauen.
Sie
drohen mit Schlägen.
Sie
drohen mit Verachtung.
Sie
drohen mit Vergewaltigung.
Sie
werden wieder lauter.
Frauen
müssen für ihre Rechte kämpfen.
Immer
und immer wieder neu.
Das
weiß sie schon lange.
Aber
diese Angst!
Die
hätte sie nicht für möglich gehalten.
Und
manchmal möchte sie nur noch weg.
Denn
sie hat Angst im eigenen Land.
Sie
ist Mutter.
Sie
hat einen Sohn.
Er ist
weich und warm.
Er
hat ein großes Herz.
Er
kann lieben.
Voll
Leidenschaft.
Tief.
Und
ganz.
Sie
hat Angst um diesen wunderbaren Menschen.
Sie
hat Angst, jemand schickt ihn in den Krieg.
Sie
hat Angst, dass sie das nicht verhindern kann.
Angst,
dass Krieg ausbricht.
Auch
hier. Auch in Deutschland.
In
ihrem Heimat-Land.
Menschen
müssen den Frieden achten.
Immer
und immer wieder neu.
Das
weiß sie schon lange.
Aber
diese Angst!
Die
hätte sie nicht für möglich gehalten.
Und
manchmal möchte sie nur noch weg.
Dann
packt sie im Kopf eine Tasche.
Sie
lebt mit einer Behinderung.
Alle
können es sehen.
Ohne
Rollstuhl ist sie hilflos.
Es
gibt Menschen, die beschimpfen Behinderte.Krüppel! Idiot! Spaßt!
Diese
Menschen leben hier.
In
ihrem Heimat-Land.
Sie
sind wieder Deutsch.
Sie
wollen Behinderte zählen.
Registrieren.
Abschaffen.
Sie
sagen wieder offen: Behinderte sind zu teuer.
Die
sollen wieder weg-gesperrt werden.
Erste
Gesetze wurden dafür geändert.
Sie
machen ernst.
Behinderte
Menschen müssen für ihre Rechte kämpfen.
Immer
und immer wieder neu.
Das
weiß sie längst.
Aber
diese Angst!
Die
hätte sie nicht für möglich gehalten.
Und
manchmal möchte sie nur noch weg.
Und
dann überlegt sie: Wo kann sie hin?
Und
dann packt sie im Kopf eine Tasche.
Denn
sie hat Angst im eigenen Land.
Sie
lebt mit einer Frau.
Sie
liebt sie innig. Sie küsst sie. Gern und oft.
Sie
schläft mit ihr.
Doch
Menschen sagen wieder offen,
dass
Lesben krank, unnormal und ekelhaft sind.
Sie
leben hier. In ihrem Heimat-Land.
Sie
wollen wieder sagen, was normal ist.
Wieder
werden Lesben und Schwule
auf
der Straße beleidigt und geschlagen.
Lesben
müssen für ihre Rechte kämpfen.
Immer
und immer wieder neu.
Sie
weiß das.
Aber
diese Angst!
Diese
furchtbare Angst,
die
hätte sie nicht für möglich gehalten.
Und
manchmal möchte sie nur noch weg.
Und
dann überlegt sie: Wo kann sie hin?
In
welchem Land ist sie sicher.
Als
Frau. Als Mutter. Als Behinderte. Als Lesbe.
Als
Mensch.
Dann
packt sie im Kopf ihre Tasche.
Denn
sie hat Angst im eigenen Land.
Es
ist ihr Land. Ihre Heimat.
Deutschland.
Dieses
Land, das so viel Leid verbreitet hat.
Ihr
fällt es schwer dieses Land als Heimat zu bezeichnen.
Denn
sie erinnert sich,
wozu
wir Menschen in Deutschland fähig waren.
Und
sie hat Angst. Und sie will weg von hier.
Und
sie fragt sich: Wo kann ich hin?
Dann
packt sie im Kopf eine Tasche.
Eine
Tasche, in die alles passt.
Essen.
Trinken. Warme Kleidung. Medikamente. Ein Buch.
Fotos
der Menschen, die ihre Heimat zur Heimat gemacht haben.
Und
vielleicht, ganz vielleicht auch ein Kuscheltier.
Sie
kann sich auch woanders zu Hause fühlen.
Bei
Menschen, die sie liebt.
Bei
Menschen, die sie lieben.
Zum
Leben braucht sie keine Heimat.
Also
packt sie im Kopf eine Tasche.
Denn
sie hat Angst im Heimatland.
Und
dann macht der Sohn einen Scherz.
Und
dann kämpfen junge Menschen für eine gesunde Umwelt.
Und
dann streichen die Katzen um ihre Beine.
Und
dann entscheidet ein Gericht klug.
Und
dann kommen Freunde in ihr Haus.
Und
sie trinken Kaffee und reden von Glück.
Und
dann nimmt die Liebste sie in den Arm.
Und
ganz vorsichtig packt sie die Tasche wieder aus.
Die
Tasche in ihrem Kopf.
Dass
ihre Heimat auch ihr Zuhause bleibt.
Gefördert von